2. Vernetzungstreffen für Mobilität und lebenswerte Städte NRW

2. Vernetzungstreffen NRW

RADKOMM und Changing Cities veranstalteten mit Unterstützung der Heinrich Böll Stiftung NRW das 2. Vernetzungstreffen für Mobilität und lebenswerte Städte NRW. Dazu kamen über 70 Aktive aus ganz Nordrhein-Westfalen, Berlin, Bamberg und Frankfurt am 25. Februar 2018 nach Köln ins Bürgerzentrum Ehrenfeld. Ein Zuwachs von 50 Prozent nach dem ersten Vernetzungstreffen DrehDeineStadt! am 7. Oktober 2017 in Wuppertal. Einige kannten sich bereits von dort, doch für die Meisten war es das erste Vernetzungstreffen.

Zur Begrüßung beschrieb Dr. Ute Symanski, Vorsitzende der RADKOMM, das Ziel des Tages: „Wir sind hier, um uns kennenzulernen, auszutauschen und zu vernetzen. Ihr seid das Programm!“ Dazu bat sie die Gäste, sich nach Wohnort und aktiver Zeit im Raum aufzustellen. Alle merkten sofort: Vom blutigen Anfänger bis zum alten Hasen war ganz NRW vertreten.

Kurzvorträge

Verkehrswende von unten – Sina Arndt, Changing Cities

Sina Arndt zeigte, wie Changing Cities in Berlin Öffentlichkeit für Radfahrer herstellt. Ein Beispiel sind die Mahnwachen nach allen Unfällen, bei denen Radfahrende getötet wurden. Immer mehr Menschen kommen dazu spontan zum Unfallort und setzten sich in stillem Gedenken auf die Straße. Inzwischen sind es so viele, dass die Politik reagiert und u.a. Kreuzungen kurzfristig sicherer umgestaltet hat.

Grundlage der praktischen und täglichen Arbeit vor Ort sind die Fahrradfreundlichen Netzwerke, die sich inzwischen in fast allen Bezirken gegründet haben.

Radentscheid Bamberg – Christian Hader, Radentscheid Bamberg

Aus Bamberg präsentierte Christian Hader die Geschichte des ersten erfolgreichen Radentscheids in Deutschland. Dieser dauerte von der der ersten Idee im Mai 2016 bis zum Stadtratsbeschluss Ende Januar 2018 fast zwei Jahre. Am Anfang des Erfolgs standen 10 Monate intensive Vorbereitungszeit und eine fertige Kampagne beim Gang in die Öffentlichkeit. Bei der Durchführung halfen eine klaren Identifikation mit Stadt und Region, die Betonung der Verkehrssicherheit, ein breites Unterstützerbündnis, ein schier grenzenloser Wille und zum Schluss Geschick beim Verhandeln mit dem Stadtrat.

Direkte Demokratie – Thorsten Sterk, Mehr Demokratie!

Radentscheide, Bürgerbegehren und Volksinitiativen: Thorsten Sterk erklärte Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Möglichkeiten der verschiedenen Formen der Direkten Demokratie. Es gibt sie in allen Bundesländern, sie ist aber unterschiedlich geregelt. Grundsätzlich gilt: Je höher das Quorum, desto großer die politische Wirkung. In NRW betrafen etwa 15 Prozent der Bürgerbegehren und -entscheide die Verkehrspolitik. Der erste zur Radpolitik war 2000 das Bürgerbegehren „Fahrradfreundliches Recklinghausen“. In Zukunft folgen weiter Radentscheide in Darmstadt, Frankfurt (zu Gast in Köln) und Hamburg, sowie die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad NRW“.

Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad NRW“ – Ralf Junker, RADKOMM & Thomas Semmelmann, ADFC NRW

Zu den NRW Landtagswahl im Mai 2017 initiierte die RADKOMM das Aktionsbündnis „Aufbruch Fahrrad NRW“, dem der ADFC NRW und über 20 weiter Partner beitraten. Was als Onlinepetition startete, soll nun etwa ein Jahr später in eine Volksinitiative münden. Ralf Junker und Thomas Semmelmann stellten das Ziel erstmals einem breiteren Publikum vor: 66.000 Stimmen sammeln, die den Landtag NRW auffordern, ein Gesetz zur Förderung des Radverkehrs auf den Weg zu bringen. Die Resonanz aus allen Teilen NRWs war rundum positiv. Der anschließende Workshop Volksinitiative war beachtlich besucht und viele Teilnehmer boten spontan ihre Mitarbeit an.

Workshops

Nach den Kurzvorträgen am Vormittag und Nachmittag folgten die Workshops. Die Themen waren frei, die Gruppen fanden sich spontan. Das war die Gelegenheit, Ideen zu vertiefen, die Arbeit der Anderen kennenzulernen und persönliche Kontakte zu knüpfen. Im Folgenden beispielhaft einige Workshops und ihre Ergebnisse in Kurzform.

NO2-frei mobil: Eine Woche täglich Feierabend-Radtouren

Noch bevor das Bundesverwaltungsgericht Leipzig Fahrverbote gegen gesundheitsschädliche NO2-Konzentrationen erlaubte, überlegte dieser Workshop, wie NRW auch ohne Auto NO2-frei mobil bleiben kann. Das Fahrrad ist die umweltfreundliche und gesunde Alternative. Um das Fahrrad im Stadtbild zu verankern entstand die Idee, eine Woche lang täglich Feierabend-Radtouren anzubieten. In Köln fanden diese vom 2. bis 9. März 2018 statt.

Kommunale Radentscheide

Das Interesse an kommunalen Radentscheiden war so groß, dass auch die zwei Workshops zum Thema (vormittags und nachmittags) nicht ausreichten, jede Frage zu beantworten und alle Ideen zu Ende zu denken. Mitglieder vom Volksentscheid Fahrrad aus Berlin und vom Radentscheid aus Bamberg gaben praktische Tipps und Anregungen für alle, die ebenfalls überlegten, Bürgerentscheide zum Radverkehr durchzuführen. Mit dabei waren auch Bielefeld und Frankfurt: Bielefeld steht am Anfang der Planungen, der Radentscheid Frankfurt beginnt am 4. April 2018 mit der Unterschriftensammlung.

Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad NRW“

Die größte Arbeitsgruppe am Nachmittag bildete sich zur Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad NRW“. Nachdem dem „Was“ im Vortrag ging es nun um das „Wie“: Wie kommt das Thema in die Öffentlichkeit? Wie können wir Unterschriften sammeln? Wie können wir Partner gewinnen? Wie können Einzelne helfen und unterstützen? Die Ideen flossen reichlich, viele boten spontan an, konkret zu helfen. Ein gemeinsamer E-Mail-Verteiler steht seitdem als Kommunikationsplattform zur Verfügung.

Kommunikation & Medien

Gute Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Medien sind wichtig, die Ideen der fahrradfreundlichen Städte in die Öffentlichkeit zu tragen. Soziale Netzwerke erzielen hohe Reichweiten, wollen aber häufig gefüttert werden. Automatisierung erleichtert die Arbeit. Narrative, die (eigene) Geschichten erzählen, helfen gegen Echokammern und erhöhen die Reichweite, sind aber aufwendig zu gestalten. Idee: Eine NRW Fahrrad-Platform mit Bildern, Filmen, Musik und Terminen, die wir gemeinsam unterhalten und nutzen. Achtung: Persönlichkeits- und Urheberrechte beachten!

Verkehrsplaner unterstützen

Verkehrsplaner sind Experten der Umsetzung, Bürger sind Experten der Nutzung. Daher brauchen Planer Unterstützung aus der Bevölkerung.

Planer sind nicht das Korrektiv für fahrradfeindliche Politik. Das kann nur die allgemein vernetzte Öffentlichkeit.

Politiker „triezen“

Die Politik entscheidet über Straßen für Autos oder Fahrradstraßen, Radwege und Schutzstreifen. Daher ist es wichtig, sie für den Radverkehr zu gewinnen. Gelingen kann das im Gespräch: In den Kommunen mit einzelnen Politikern, den Parteien und den Fraktionen. Ähnlich auf Landesebene, da Länder die Kommunen finanziell fördern. Dabei Politiker an ihre Lippenbekenntnisse erinnern und ausweichende Reaktionen nicht akzeptieren. Gleichermaßen der Verwaltung die Gefahren im Radverkehr aufzeigen und sie zum Umdenken auffordern.

Das 2. Vernetzungstreffen für Mobilität und lebenswerte Städte NRW war ein lebendiger Tag mit vielen bekannten und neuen Gesichtern, unzähligen Gesprächen, Kontakten und Ideen. Da einige sich bereits vom ersten Treffen kannten, war die Stimmung von Anfang an etwas vertrauter – ein Trend, der sich hoffentlich beim Folgetreffen fortsetzt.

Nach dem offiziellen Ende um 17 Uhr gingen gut ein Dutzend Gäste zum privaten Plausch bei Essen und Trinken in ein Veedel-Lokal um die Ecke. Inoffizielles Ende gegen 20 Uhr.