Teil 2: Spargel, Fußballfelder und der Verkehr

Böden, Gewässer und Luft in NRW sind in keinem guten Zustand: auch in unserem Bundesland ist die Klimaerwärmung deutlich zu spüren, der Flächenverbrauch steigt weiter, und es sind nicht nur Insekten vom Aussterben bedroht, sondern die Lebensgrundlagen vieler Pflanzen und Tiere schwinden. Der Verkehr, vor allem der motorisierte, hat damit mehr zu tun, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Im kürzlich veröffentlichten Umweltzustandsbericht 2020 für NRW berichtet das Landesumweltministerium über den Zustand von Boden, Wasser, Luft und Klima in Nordrhein-Westfalen – und darüber, was die Ursachen für Verschmutzungen und den schlechten Zustand sind. Wir haben den Umweltzustandsbericht für euch aus der Verkehrsbrille gelesen, und beleuchten kritisch die Lösungsvorschläge der Landesregierung. Eine Blogreihe in drei Teilen.

Mikroplastik durch Verkehr

Motorisierter Verkehr emittiert klimaschädliche Gase, das ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist vielen, dass durch Reifenabrief Mikroplastik entsteht, also sehr kleine Plastikpartikel, die auch von Lebewesen aufgenommen werden können. Die Angaben darüber, wie viel Mikroplastik aus Fahrzeugreifen jährlich entsteht, gehen weit auseinander. Der Umweltzustandsbericht spricht von bis zu 120.000 Tonnen für ganz Deutschland. Etwa 5 bis 10 Prozent des Reifenabriebs gelangt in die Luft, dies entspricht bis zu 12.000 Tonnen pro Jahr. Einer Studie der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) und der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) zufolge werden weitere 60.000 bis 70.000 Tonnen Reifenabrief jährlich in den Boden abgegeben, und 8.700 bis 20.000 Tonnen gelangen in Gewässer (Quelle).

Reifenabrief und Spargel

Zum Vergleich: die Deutschen haben in 2020 etwa so viel Spargel gegessen wie Reifenabrief in Deutschland erzeugt (etwa 106.000 Tonnen, Quelle).  Zur konkreten Menge des Reifenabriebs für NRW macht der Umweltzustandbericht keine Angaben, es existieren weder offizielle Daten noch Studien. Da hierzulande die meisten Kraftfahrzeuge zugelassen sind, liegt es nahe, dass auch beim Mikroplastik ein hoher Anteil ist NRW erzeugt wird. In der Luft erhöht Mikroplastik die Feinstaubbelastung, in Böden und Gewässern kann es von Pflanzen und Tieren aufgenommen werden. Letztendlich landet Mikroplastik am Ende der Nahrungskette auch bei uns – zum Beispiel im Spargel. Ein Grund mehr, auf Verkehrsvermeidung zu setzen.

Mehr als 300.000 Fußballfelder Verkehrsfläche in NRW

Aktuell werden in NRW pro Tag mehr als 8 Hektar (Stand 2019) Fläche in Anspruch genommen, die bebaut oder versiegelt werden – für Wohn- und Gewerbeflächen sowie für Straßen und Wege. Diese Flächen stehen dann nicht mehr als Lebensgrundlage für Tiere und Pflanzen, als Erholungsraum für Menschen oder als Versickerungsfläche für Regenwasser zur Verfügung. Welche verheerenden Auswirkungen das haben kann, ist spätestens nach der Flutkatastrophe im Ahrtal klar.

Quelle: https://umweltindikatoren.nrw.de/abfall-boden-wasser/flaechenverbrauch

Aufgrund einer Änderung in der statistischen Erfassung des Flächenverbrauchs in 2017 ist ein Vergleich mit den Vorjahren nicht möglich. Trotzdem wird deutlich, dass die Siedlungsfläche pro Einwohner in NRW seit Jahrzehnten stetig zugenommen hat (siehe Abbildung). Mit 7% der Landesfläche nehmen Verkehrsflächen die Stelle des viertgrößten Verursachers von Flächenverbrauch ein. Das heißt, 2.388 Quadratkilometer in NRW sind von Straßen, Wegen und Plätzen bedeckt. Diese Fläche entspricht etwa 334.454 Fußballfeldern. NRW ist damit das Bundesland mit dem dichtesten Straßennetz.

Straßen sind kein Lebensraum für Tiere und Pflanzen

Je weniger Freifläche als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zur Verfügung steht, desto schwieriger wird das Überleben für bedrohte Arten. In NRW sind 43.000 Arten heimisch, Tiere, Pilze und Pflanzen. Gilt eine Art als gefährdet, wird sie auf die Rote Liste der gefährdeten, vom Aussterben bedrohten oder ausgestorbenen Arten gesetzt. Die Anzahl der in NRW-Arten auf der Roten Liste hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen (siehe Abbildung).

„Im Jahr 2011 standen unter anderem 42 % der Säugetierarten, 71 % der Reptilienarten, 52 % der Wildbienen und Wespen, 55 % der Schmetterlingsarten sowie 42 % der Farn- und Blütenpflanzen auf der Roten Liste.“ (Umweltzustandsbericht NRW 2020)

Quelle: https://umweltindikatoren.nrw.de/natur-laendliche-raeume/gefaehrdete-arten

Der Umweltzustandsbericht NRW

Der Umweltzustandsbericht für NRW wird vom nordrhein-westfälischen Umweltministerium veröffentlicht und ist hier abrufbar (www.umweltzustandsbericht.nrw.de). Dieser Bericht erscheint alle drei Jahre und nun zum fünften Mal seit 2006. Er beschreibt, in welchem Zustand sich Boden, Wasser und Luft befinden, wie sich das Klima in NRW entwickelt und welche Auswirkungen der Veränderungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen zu erwarten sind. Neben Informationen zur Verschmutzung nennt der Bericht auch deren Quellsektoren wie Energiewirtschaft, Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft und die Größenordnung des Schadstoffausstoßes.

Zum ersten Teil der Blogreihe geht es hier.