In wenigem ist sich die Kölner Radszene einig, in einem schon: Zweirichtungsradwege sind ungewohnt, eh zu eng und daher gefährlich und abzulehnen. Gleichzeitig werden die in den USA verbreiteten “protected bike lanes”, die vom NRW-Verkehrsminister bis runter zum ADFC alle begeistern, oft als Zweirichtungsradwege angelegt – ein interessanter Widerspruch.

Dieser kurze Erklärungsversuch soll Chancen und potentiellen Nutzen von Zweirichtungsradwegen kurz umreißen. Denn was auf den ersten Blick ungewohnt ist, hat auf den zweiten viele Vorteile: Sie stellen die Zentrierung der Straßen auf den Autoverkehr in Frage, sie helfen, Ziel- und Quellverkehr gut abzuwickeln, parkende Autos gefährden den Radverkehr weniger, Schutzzonen und Sicherheitsabstände lassen sich besser kombinieren, das Nebeneinander-Fahren wird in mehr Kombinationen möglich und der Verkehr achtsamer.

Das alles setzt voraus, dass Zwei-Richtungs-Radwege sehr viel präsenter markiert und sinnvoller angelegt werden als heute.

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Video zu „Protected Bike Lanes“ – mit schönen Beispielen von Zweirichtungsradwegen

Die Sortierung der Straße

Der erste Vorteil ist eine bessere, einfachere Sortierung der Straße.

Im klassischen Layout wird die Straße oft immer noch klassisch “vom Auto aus” gedacht: In der Mitte fahren die Autos (mit Wegen in beide Richtungen), links und rechts davon Radwege (in Richtung der anliegenden Autospur), dann die Fußgänger.

Beim Zweirichtungsradweg wird diese Zentralisierung des Autoverkehrs aufgehoben: Es gibt zwei gleichberechtigte “Zweirichtungs-Zonen” – einmal für Autofahrer, einmal für Radfahrer.

Das Fahrrad wird dadurch zu einem gleichberechtigten, emanzipierten Verkehrsteilnehmer, mit einem eigenen, wahrnehmbaren, geschützten Raum, der nach den Logiken des Radverkehrs funktioniert. Die Fahrtrichtung wird nicht mehr von der nebenliegenden Autofahrspur vorgegeben:

Klassische Anlage mit “protected bike lanes”. Der Radweg wird zwischen Autoverkehr und Fußgängern geführt, Autos verdecken den Radverkehr – an Ein- Ausfahrten oder Kreuzungen wird das zum Problem.

Anlage als Zweirichtungsradweg. Auto- und Radverkehr sind klar getrennt. Der kombinierte Radweg ist deutlich breiter als die getrennten, da sich Schutzzonen verbinden lassen.

Ziel- und Quellverkehr

Der zweite Vorteile ist, dass sich Ziel- und Quellverkehre besser abwickeln lassen. Dies ist insbesondere dort wichtig, wo der Auto (und Bahn-)Verkehr Straßen zerteilt – in Köln am Gürtel, an den Bächen, teilweise auch an den Ringen.

Denn einer der wesentlichen Vorteile des Radverkehrs ist seine Flexibilität. Allerdings wird diese gerade an großen Straßen künstlich beschnitten, wenn die Benutzungsrichtung von Radverkehrsanlagen eingeschränkt wird.

So kann man bestimmte Strecken zum Beispiel am Gürtel mit dem Rad quasi nicht zurücklegen. Wer vom “Burger King” zum “BOC” in Ehrenfeld fahren möchte, muss entweder den Gürtel zweimal überqueren oder einmal rund um das Heliosgelände fahren. Viele Radfahrer sehen das nicht ein und werden zu Geisterradlern. Zweirichtungsradwege würden hier flexiblen und schnellen Ziel- und Quellverkehr ermöglichen.

Radwegrouten im “Einrichtungsverkehr”. Die Bahntrasse trennt den Ehrenfeldgürtel, die Radanlagen (und die regulären Fahrbahnen) sind nur in eine Richtung befahrbar. Aus dem kurzen Weg von “Burger King” zu “BOC” wird ein Umweg durch die Helios-Straße (Rote Route) oder über die andere Seite des Gürtels (Blaue Route). Die Fahrzeit vervielfacht sich, wegen Strecke und Ampeln. Ein Zweirichtungsradweg würde das ändern.

Rote Route: 3 Ampeln
Blaue Route: 8 Ampeln (wenn Vogelsanger- und Venloer-Straße regelgerecht gekreuzt werden)
Lila Route: 0 Ampeln

Das Autoparken

Hiermit verbunden ist auch die Frage, wo Autoparken (wenn es denn im öffentlichen Raum noch existiert) bzw. Liefer- und Ladezonen angeordnet werden sollen.

Im “klassischen” Layout parken die Autos jenseits der Radzone – und die Radfahrer werden mit Ein- und Ausparkmanövern behindert und gefährdet (wie auf der Venloer zwischen Innerer Kanalstraße und Ehrenfeldgürtel). Protected Bike Lanes lassen sich so quasi nicht anlegen.

Ordnet man die geparkten Autos zwischen Auto- und Radfahrbahn an, schafft man eine klare Separierung der Verkehre – behindert aber gleichzeitig die Sicht der Auto- auf die Fahrradfahrer. In beiden Fällen werden Radfahrer durch sich öffnende Türen gefährdet.

Bei Zweirichtungs-Radwegen kann das Autoparken (oder Lade- und Lieferzonen) einfach auf die “andere” Fahrbahnseite verlagert werden – es gibt weder Kreuzungsverkehr noch Sichtbehinderung (siehe die obigen Graphiken!).

Sicherheitsabstände

Normale Radwege, oft zwischen Parken und Fahrbahn, benötigen nach beiden Seiten Sicherheitsabstände, damit Radler sicher fahren und sich wohl fühlen. Hierfür werden 50 cm angesetzt – was weder als Abstand zur “Dooring Zone” noch für die zu überholenden Autos richtig reicht.

Bei Zweirichtungsradwegen können diese Schutzzonen kombiniert werden. Für zwei 1,50-breite Einzel-Radwege werden, mit Schutzzonen an beiden Seiten, 5 Meter benötigt. Darauf lässt sich ein 4 Meter breiter Zweirichtungsradweg einrichten! Dazu kommt, wie beschrieben, dass die Zonen besser geordnet und das Parken sinnvoller sortiert werden kann. Beides führt zu einem Gewinn an Sicherheit und Qualität.

Vielfältige Nutzungsszenarien

Auf Zweirichtungs-Radwegen lassen sich mehr Nutzungsszenarien abbilden, da beiden Fahrbahnen Radfahrern flexibel zur Verfügung stehen. Die folgenden Nutzungsszenarien funktionieren (bei 3 Meter insgesamt für den Radverkehr vorhandener Breite) nur auf Zweirichtungs-Radwegen:

  • Zwei Radfahrer fahren nebeneinander und unterhalten sich, ein anderer überholt.
  • Ein Lastenrad fährt, eine Radfahrerin überholt.
  • Drei Radfahrer(innen) fahren nebeneinander und unterhalten sich.
  • Ein Radfahrer steigt auf/ab, zwei fahren nebeneinander und überholen ihn
  • etc.

Mehr Achtsamkeit

Während auf “klassischen” Radanlagen oder im Mischverkehr Radfahrer Angst vor dem Autoverkehr haben, können sie sich auf Zweirichtungsradwegen entspannen – und aufeinander aufpassen. Auf existierenden, gut angelegten Zweirichtungsradwegen in anderen Ländern sortiert sich der Radverkehr ständig, kontinuierlich und flexibel neu. Körpersprache und direkter Kontakt tritt an die Stelle von Blinkern und Vorschriften. Der Zweirichtungsradweg ist auch ein kleiner Schritt in Richtung “shared space” und geteilten Verantwortlichkeiten.

Wenn, denn aber…

Natürlich funktionieren auch Zweirichtungsradwege nur unter bestimmten Bedingungen.

Was hilft, sind sinnvoll gestrichelte Trennmarkierungen sowie deutlich sichtbare Ein- Ausgang-Pfeile, die neben den Radfahrern auch anderen Verkehrsteilnehmern deutlich signalisieren, welche Radströme zu erwarten sind. Diese können auch “dritteln” und damit anzeigen, dass es eine Hauptrichtung sowie eine untergeordnete “Nebenrichtung” gibt.

Auch beim Kreuzungsdesign muss man aufpassen. Richtig angelegt, können Zweirichtungsradwege aber auch hier helfen, weil es ggf. weniger Schnittmengen mit dem Autoverkehr gibt.

Was definitiv nicht funktioniert sind Zweirichtungs-Radwege wie der auf der Deutzer Brücke – unmarkiert, mit den Fußgängerverkehr gemischt, mit Laternenpfählen durchsetzt und auf beiden Seiten schwer zugänglich.

Aber vielleicht kann man an anderen Stellen nochmal nachdenken?